Anna Deyerling | Mitgründerin der Möbelmarke Sitzfeldt: „Die wichtigste Lektion: Verantwortung abgeben und anderen vertrauen.“
Anna Deyerling hat 2010 zusammen mit ihrem Bruder Clemens Deyerling und dessen Schulfreund Julius Martini die Möbelmarke Sitzfeldt gegründet. Ihr Ziel: Sofas in richtig guter Qualität zu einem exzellenten Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten. Durch den Verkauf über ihren Online-Shop und Showrooms können die hochwertigen Sofas zu einem attraktiven Preis angeboten werden. Das neuste Produkt ist die Modulsofa-Kollektion FILA, die von Designer Jörg Boner entworfen wurde. Mittlerweile gibt es sechs Standorte in Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt und Stuttgart. Im Interview verrät Anna, dass sie von Natur aus manchmal ein Kontroll-Freak ist und warum das aber auch hinderlich als Unternehmerin sein kann.
Anna, du hast unter anderem zusammen mit deinem Bruder Clemens die Möbelmarke Sitzfeldt gegründet. Was ist euer beruflicher Hintergrund und wie kam es dann zu dieser Zusammenarbeit?
Ich habe Sitzfeldt vor sieben Jahren mit Clemens und einem gemeinsamen Freund Julius Martini gegründet. Wir drei haben einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund, ich selbst habe vor unserer Gründung vier Jahre bei einer Unternehmensberatung gearbeitet. Mein Bruder Clemens und Julius kennen sich schon seit Schulzeiten und hatten schon immer den Plan, irgendwann gemeinsam unternehmerisch tätig zu werden.
Clemens war derjenige, der am Ende die Idee für Sitzfeldt hatte. Er hat das Potenzial des Internets für die Möbelbranche erkannt. In der Gründungsphase haben uns die jahrzehntelangen Kontakte unseres Vaters zu Möbelproduzenten in der Slowakei sehr geholfen.

Das Sitzfeldt-Gründerteam: Clemens & Anna Deyerling, Julius Martini (v.l.)
Was war damals deine Motivation das eigene Business zu gründen? Welche Kenntnisse hattest du bereits, die dir für die Gründung geholfen waren? Und was musstet ihr in den letzten 7 Jahren noch dazulernen?
Aus heutiger Perspektive war die Sitzfeldt-Gründung eine sehr mutige Entscheidung, schließlich hatten wir keine Ahnung, was da alles auf uns zukommt. Aber es war auch die beste Entscheidung meines Lebens!
Als mir Clemens und Julius das erste Mal von der Idee erzählt haben, habe ich sie für verrückt erklärt. Wieder zu Hause dachte ich mir aber dann ganz schnell, dass das eine riesige Chance für mich ist. Und dass ich – wenn ich das nicht mache - mich immer fragen würde, was wäre gewesen wenn. Zwei Wochen später habe ich meinen Job gekündigt und von da an ging alles ganz schnell.
"Die Hauptmotivation war, der fremdbestimmten Unternehmenswelt zu entfliehen und etwas Eigenes aufzubauen."

Die Hauptmotivation war sicherlich, der fremdbestimmten Unternehmenswelt zu entfliehen und etwas Eigenes aufzubauen. Und es schwang auch damals schon der Wunsch mit, irgendwann Job und Kinder gut vereinbaren zu können. Heute weiß ich, wie wichtig der Aspekt tatsächlich war!
Mir hat meine Erfahrung als Beraterin in der Anfangsphase von Sitzfeldt sicherlich geholfen, das Projekt professionell und strukturiert anzugehen. Den Rest musste ich lernen. Ich hatte weder Ahnung von Polstermöbeln noch von Marketing, was heute bei Sitzfeldt meine Hauptverantwortung ist.
Euer Ziel war es von Anfang an, keine Massenware zu produzieren. Auf welche Möbel habt ihr euch in eurem Produkt-Portfolio spezialisiert? Und für welchen Vertriebsweg habt ihr euch entschieden?
Unser klares Ziel war von Anfang an, richtig gute Qualität zu einem exzellenten Preis-Leistungs-Verhältnis anzubieten. Deshalb haben wir uns von Anfang an auf Sofas spezialisiert, weil wir da produktionsseitig auf sehr viel Know how zurückgreifen konnten.
Da konnten wir von Anfang an einen Unterschied machen, den wir in den letzten Jahren immer weiter ausgebaut haben. Unsere Sofas verkaufen wir ausschließlich über unseren Online-Shop www.sitzfeldt.com und in unseren Showrooms. Wir betreiben mittlerweile sechs Standorte in Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt und Stuttgart.

Eure Möbel werden von renommierten Designern entwickelt und in Handarbeit produziert – da erwartet man hohe Preise. Wie ist das bei euch?
Wir verkaufen unsere Sofas nur direkt, wodurch wir die gesamte Handelskette überspringen, die sonst am Markt so üblich ist. Diesen Preisvorteil geben wir an unsere Kunden weiter, die bei uns nur für das bezahlen, was sie wirklich brauchen: Design, Qualität und Service.
Ich kann ganz selbstbewusst behaupten, dass ein Sofa in vergleichbarer Qualität im regulären Handel ungefähr doppelt so viel kostet wie ein Sofa von Sitzfeldt.
Gerade hat der Designer Jörg Boner die Sofa-Kollektion FILA für Sitzfeldt entworfen. Was ist das Besondere an diesem neuen Modulsofa? Und nach welche Kriterien sucht ihr die jeweiligen Möbeldesigner aus?
Fila lässt sich gut anpassen – an die Räumlichkeiten oder an die Zahl der Gäste. Und gleichzeitig besticht Fila in seiner Kombination aus Kompaktheit und Leichtigkeit. Für uns war es wichtig, ein modulares Sofa zu entwickeln, das auch in kleineren Räumen seine Wirkung entfalten kann. Und das ist uns dank Jörgs großartigen Ideen richtig gut gelungen.
"Für uns war es wichtig, ein modulares Sofa zu entwickeln, das auch in kleineren Räumen seine Wirkung entfalten kann."

Bei der Auswahl der Möbeldesigner ist uns die langfristige Zusammenarbeit immer am wichtigsten. Das gilt eigentlich für alle Bereiche unseres Unternehmens. Wir sind davon überzeugt, dass unser Team nur dann richtig gute Arbeit machen kann. Dafür ist in erster Linie Vertrauen notwendig und dass man eine Wellenlänge hat. Und so ist das auch mit Jörg – nach einem tollen Tag und auch einer sehr fröhlichen Nacht in Zürich war klar, dass wir zusammenarbeiten müssen.
Was sind die Trends für 2017 in der Möbelbranche?
Was Trends angeht, ist man in Mailand auf der Salone del mobile ja immer richtig. Ehrlich gesagt haben wir da dieses Jahr wenig überraschendes gesehen. Aber es wird alles schneller – gleicht sich dem Tempo in der Modebranche an.
Wir sind aufgrund unseres Geschäftsmodells eher langfristig orientiert und versuchen, uns von Trends nicht abhängig zu machen. Aber wenn ich einen Trend nennen müsste, würde ich sagen, dass die Farben satter werden und die Möbel insgesamt luxuriöser wirken. Marmor, Samt und Edelholz waren in Mailand allgegenwärtig.

Gilt es noch als Seltenheit als Frau ein Möbel-Business zu führen?
Die Möbelbranche ist eine Branche, wo man noch verhältnismäßig viele Frauen trifft. Auf den Führungsebenen sieht das aber auch in der Möbelbranche meist anders aus. Also ja, wahrscheinlich gilt es schon noch als Seltenheit.
Ob es mehr Frauen braucht? Bei Sitzfeldt sehe ich den großen Vorteil in unserem Dreier-Gespann. Jeder von uns bringt andere Stärken ein und nur als Team funktionieren wir so gut. Ich glaube nicht, dass meine Stärken etwas damit zu tun haben, dass ich eine Frau bin. Das große Thema ist aus meiner Sicht die Diversifizierung in Teams. Und dieses Thema sollte nicht nur auf das Geschlecht reduziert werden.
Was war die prägendste Erfahrung im Rahmen deiner Selbstständigkeit und was hast ggf. daraus gelernt?
Es ist leider so: von Natur aus bin ich ein Kontroll-Freak. Wenn man ein Unternehmen gründet und auf einmal für alles verantwortlich ist, kann man nicht mehr alles bis ins kleinste Detail kontrollieren.
Das war für mich die wichtigste Lektion: Verantwortung abgeben und anderen vertrauen. Ich tue mich da manchmal immer noch schwer, habe aber erkannt, dass es allen hilft, wenn ich auch mal abschalte.