Wie ich ein Unternehmen aufbaute – trotz Krebs: „Ich verstand die Chance in diesem ganzen Chaos.“

Gastautor*in

Von Gastautorin Sandra Lotz

Ich weiß noch genau, wie sich am 10.04.2017 meine Welt auf einen Schlag für immer verändern sollte. Brustkrebs – mit n​​​​ur 36 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt war ich gerade dabei, mir in meiner frisch gegründeten nebenberuflichen Selbständigkeit ein Hamsterrad zu erschaffen – ähnlich dem, dem ich als Angestellte im Noch-Brot-Job unbedingt entfliehen wollte.

“​Ich war total überfordert mit den vermeintlichen Pflichten eines Online-Business.”

Ich war kreuzunglücklich mit dieser Doppelbelastung und total überfordert mit den vermeintlichen Pflichten eines Online-Business. Anstatt in mich hineinzuspüren und nur die Dinge zu tun, die sich für mich richtig anfühlen, tat ich das Gegenteil: Ich folgte blind den Empfehlungen anderer und verlor mich dabei immer mehr. Das hatte leider System bei mir..

Selbstständig ​mit Krebserkrankung

Ich war immer schon ein totaler Workaholic und habe jahrelang an meiner Banking-Karriere gearbeitet. Nicht, weil ich so versessen auf eine Karriere war. Sondern weil ich etwas in dieser Welt bewirken will. Und da ich nun mal Bankkauffrau gelernt und Betriebswirtschaftslehre studiert hatte, lag mein Arbeitsumfeld auf der Hand: Ich trieb mich rund 16 Jahre in diversen Positionen im Bereich Banking & IT herum. Dass diese Berufswahl mich zwar inhaltlich interessierte, die Rahmenbedingungen aber nicht so richtig für mich passten, merkte ich schon früh.

“​Ich war ein totaler Workaholic – weil ich etwas bewirken wollte in der Welt.”

Schon mein erster Ausbildungstag begann nämlich mit schlechter Laune. Ich schlug mich jahrelang mit diversen körperlichen Erscheinungen herum, rebellierte innerlich gegen das System, dem ich mich freiwillig unterworfen hatte, und versuchte, einen Weg zu finden, glücklich zu sein.

Versteh mich nicht falsch: Es war garantiert nicht alles schlecht. Im Gegenteil: Ich war gut in dem, was ich tat, und erlebte viel Zuspruch. Und das war ja das normale Leben – Abi, Studium, Arbeiten – so ging das doch, oder? Ich tat viel, um meine innere Zerrissenheit zu vertuschen, und das zeigte Erfolg.

“Innerlich blieb ich auf der Suche.”

Ständige Weiterbildungen, mein hoher Arbeitseinsatz und ein natürliches Verständnis für betriebswirtschaftliche Strategien führten mit der Zeit zu Verantwortung, Anerkennung und einem guten Einkommen. Auch privat hatte ich viele gute Zeiten. Aber egal, wie rund es nach außen hin lief, innerlich blieb ich auf der Suche. Irgendwas fehlte. Ich spürte es.

Photo by Fleurine Frantzou

Die ersten Zweifel

Mit 30 Jahren begann ich mich dieser Suche anzunehmen und fing an, mich bewusst mit Persönlichkeitsentwicklung zu beschäftigen. Ich buchte mein erstes Coaching, las Fachzeitschriften und Bücher rund um psychologische Themen. Anfangs ging es zaghaft voran, blieb ein Hobby. Unzählige Küchentisch-Runden mit Freundinnen, die das Gespräch mit mir suchten, zeigten mir aber immer stärker auf, dass ich in diesem Bereich eine große Stärke habe.

2014 entschied ich mich dafür, eine Coaching-Ausbildung zu machen. Und erlebte etwas, was mir bis dahin vollkommen neu war: Es war einfach. Es war leicht. Es war intuitiv. Ich brauche mich nicht anstrengen, etwas auswendig lernen oder für etwas kämpfen. Wenn ich im Gespräch mit Menschen war, sie coachen durfte, dann war ich im Flow und tankte daraus Kraft. Ich durfte dadurch immer mehr „Sandra“ sein.

“Ich durfte immer mehr ‘Ich’ sein.”

Ich hatte eine Ahnung, dass das Coaching mein Weg sein könnte. Aber ich traute mich nicht, diesen Weg aus vollem Herzen zu verfolgen. Lieber wählte ich die sichere Vorgehensweise und arbeitete nach Feierabend als Coach. Vorsichtig knüpfte ich die ersten Kontakte in die Online-Business/Coaching-Welt und verfolgte sehnsüchtig, wie andere alles auf eine Karte setzen – während ich immer noch tagein, tagaus in die Bank fuhr.

Das brachte aber auch jede Menge Stress mit sich. Ein Unternehmen aufzubauen, auch wenn es nur ein Einzelunternehmen ist, braucht seine Zeit. Und genau die hatte ich nicht. Nach Feierabend war ich oft müde, trieb mich aber trotzdem an, weiterzumachen. In dieser Zeit perfektionierte ich meine persönlichen Quick-Wins, mit denen ich schnell wieder Energie tankte. Für alle nebenberuflichen Gründer ein Must-Have. (Hier kannst Du das kostenlose Video-Training dazu bekommen!)

Photo by Jason Ortego

Die Krankheitskrise

Als ich im April 2017 an Brustkrebs erkrankte, war das ein totaler Schock. Ich erlebte Todesängste, wusste anfangs nicht, wie schlimm es war, ob ich wieder gesund werden würde. Von einem Tag auf den anderen bestimmten andere über mein Leben. Dies gefiel mir als freiheitsliebendem Menschen überhaupt nicht.

“Ich erlebte Todesängste.”

So schlimm wie diese Zeit war, ich begriff aber auch, dass dies eine Chance in diesem ganzen Chaos ist. Mir wurde klar, dass meine größte Angst ist, im Leben nicht genug von den Dingen gemacht zu haben, die ich wirklich liebe. Und dazu gehörte nun mal nicht, sich in einem Bank-Job aufzureiben, ständig meine Bedürfnisse zu ignorieren und zu wenig Zeit für echtes Leben zu haben.

“Ich ​begriff aber auch, dass dies eine Chance in diesem ganzen Chaos ist.”

Mir wurde klar, dass es keine Sicherheit im Leben gibt. Und dass ich deswegen auch aufs Ganze gehen kann, um endlich das zu tun, was mich glücklich macht.

Photo by Luis Poletti

Die Entscheidung

Nach überstandener Therapie kündigte ich sofort meinen Job. Ich hatte Bedenken, diese Entscheidung zu kommunizieren, aber diese waren unbegründet: Mein Chef und das Team verstanden meinen Schritt. Mein erstes Coaching-Standbein habe ich beerdigt, denn es passte nicht mehr zu mir.

Durch die Krankheit hatte ich so viel über mich und das Leben gelernt, was ich unbedingt in mein Business einbauen wollte. Und ich hatte an Selbstvertrauen gewonnen und traute mich endlich, mich mit vollem Namen der Welt zu zeigen und meine Geschichte öffentlich zu machen. Also positionierte ich mich neu und zog mein Angebot, meine Produkte und das Marketing noch mal anders auf.

Seitdem arbeite ich in meinem Herzensbusiness und kombiniere das Beste aus meinen zwei Welten: Das Intuitive, Sensible und Spirituelle mit Strategien, Techniken und Vorgehensweisen aus meiner betriebswirtschaftlichen Heimat. Ich stehe für das etwas andere Business Coaching. Damit helfe ich Menschen, sich ein eigenes Business aufzubauen, das sie lieben, und das zu ihnen und zu ihren Bedürfnissen passt. Und ich unterstütze Angestellte, die dem Druck aus der Arbeitswelt entfliehen wollen, und Selbständige, die mit ihrer Arbeit noch nicht glücklich bzw. profitabel sind.

Photo by Leo Rivas

Meine eigene Positionierung war am Schwierigsten

Viele, viele Monate habe ich gebraucht, bis ich mir selbst erlaubt habe, genau dies zu meiner Arbeit zu machen. Groß war anfangs die Sorge, dass ich selbst wieder in alte Muster falle, mich stresse oder Druck habe. Die Angst vor Anspannung und Überlastung war in meinem Kopf unweigerlich mit einer Rückkehr der Erkrankung verbunden. Deshalb hatte ich in meinen Coaching-Sessions alles gemieden, was auch nur ansatzweise einen „Business-Touch“ hatte.

Obwohl alle meine Kundinnen entweder selbständig sind, oder ihr Ziel war, eine Selbständigkeit aufzubauen, habe ich mich konsequent in ihrer Begleitung nur um die mentale Seite ihres Vorhabens gekümmert. Das Inhaltliche – nämlich ein Business-Modell, Positionierung, Produkte und Strategien, Marketing und Sales – habe ich nur als Mentorin übernommen, wenn ich quasi dazu „genötigt“ wurde. So sehr hatte es mich an meine alte Welt erinnert, zu der ich einen großen Abstand aufbauen wollte.

“Irgendwann konnte ich meiner eigenen Bestimmung nicht mehr entgehen.”

Irgendwann aber konnte ich meiner eigenen Bestimmung nicht mehr entgehen. Denn wie oft gibt es Menschen, die strategisch denken können, sich aber auch von den leisen, feinen Schwingungen leiten lassen? Die Projektmanagement im Schlaf beherrschen, diese Methoden aber sofort bereitwillig über Bord schmeißen, weil vor allem der Mensch im Mittelpunkt steht? Die im BWL-Studium ein Ass in Unternehmensführung waren, aber trotzdem bei Entscheidungen auf ihr Bauchgefühl verweisen – selbst wenn das auf den ersten Blick seltsame Dinge empfiehlt?

So jemand bin ich. Diese beiden Seiten zusammenbringen und mir zu erlauben, mein Business danach auszurichten, war eine wahnsinnig große Herausforderung.

Und das zeigte mir auch, was viele bei der Gründung schnell mal vergessen bzw. in den Hintergrund geraten lassen: Die Seele darf mitwachsen. Nur weil ein Business Plan einen gewissen Geschäftsaufbau mit definierten Maßnahmen vorsieht, heißt das noch lange nicht, dass das so funktioniert. Und das liegt sehr häufig nicht daran, dass die Idee nicht tragfähig ist. Sondern daran, dass wir alle Menschen sind. Und Menschen tun einfach wunderbar seltsame Dinge. Sie stören sich selbst, indem sie prokrastinieren, sich von Ängsten regieren lassen oder an sich selbst zweifeln.

“​Die Seele darf mitwachsen.”

Und wer das im Business Aufbau oder in der Business Neupositionierung nicht berücksichtigt, der braucht sich nicht wundern, dass es nicht voran geht bzw. klappt. Denn die Arbeit an unserem Unterbewusstsein, das zu einem großen Anteil dafür zuständig ist, wie wirkungsvoll wir agieren, ist die Basis für Erfolg. Deswegen kombiniere ich in meinen Business Coachings ganz bewusst Mindset-Übungen, um meine Kunden stärker für die anstehenden Aufgaben zu machen.

Photo by ​Rashid Khreiss

Wenn Du gerade gründest oder gründen willst

Nicht immer ist der vermeintlich sichere Weg der Bessere. Nur weil es vernünftig ist, sich erst nebenberuflich ein Standbein aufzubauen, heißt das nicht, dass es auch für Dich das Beste ist. Es gilt genau abzuwägen, was für ein Typ Mensch Du bist und was für Dich weniger schlimm ist. Ist Dir Sicherheit oder Deine Lebensaufgabe wichtiger? Wie viel Freiheit brauchst Du? Wie viel Zeit brauchst Du auch für Dich?

Mir selbst ist meine Lebensaufgabe wichtiger und dafür nehme ich die Unsicherheit gerne in Kauf. Wir zahlen im Leben immer einen Preis für unsere Entscheidungen. Und diesen Preis solltest Du nicht leichtfertig bestimmen lassen, sondern Dir genau Gedanken über Deine Werte, Deine Persönlichkeit und die für Dich geeigneten Rahmenbedingungen machen.

Meine größten Learnings

Die Krankheit hat mich gelehrt, das Leben so anzunehmen, wie es ist. Vieles suchen wir uns nicht aus. Und es bleibt trotzdem die eigene Aufgabe, einen Umgang damit zu finden. Klar ist das nicht immer einfach. Aber tatsächlich ist das die einzige Alternative. Verantwortung heißt eine Antwort zu finden, auf das, was das Leben uns vor die Füße wirft. Leichter wird es, wenn Du einsiehst, dass Kämpfen nichts bringt, und Du Dich besser mit dem arrangierst, was passiert. Obwohl in meinem Leben nichts mehr sicher oder klar ist, bin ich nun endlich bei mir angekommen und liebe jeden Tag mehr, was ich tue.

“Die Krankheit hat mich gelehrt, das Leben so anzunehmen, wie es ist.”

Wenn man schwer krank ist, dann weiß man plötzlich, worauf es ankommt, und traut sich auch Dinge, für die vorher der Mut fehlte. Und ganz ehrlich, dazu braucht es keinen Krebs. Wo ich mich umschaue, sehe ich Burn Out, Depressionen, Autoimmunerkrankungen oder Migräne. Sehe ich Menschen, die ständig erkältet sind, und meinen, das sei eben so. Das braucht nicht sein.

Viel wichtiger ist, sich selbst das Leben so zu gestalten, dass es wirklich gut zu einem passt. Das hatte ich selbst eine Zeit lang versäumt, aber meine Erkrankung hat es mir beigebracht. Und wenn Du selbst auch das eine oder andere Wehwehchen hast, oder Du vielleicht auch gerade dabei bist, Dich mit Deiner Gründung zu übernehmen oder zu verrennen, dann möchte ich Dich hiermit ganz sanft dran erinnern, dass Du selbst der wichtigste Mensch in Deinem Leben bist.

“​Wichtig ist, sich selbst das Leben so zu gestalten, dass es wirklich zu einem passt.”

Ohne Dich gibt es schlichtweg Dein (geplantes) Business nicht. Deswegen sorge gut für Dich und stelle Dir Deine Arbeit so auf, dass sie Deine Stärken stärkt und Dir den Freiraum gibt, den Du brauchst.

Wie gut achtest Du auf Dich? Bekommst Du Deine Selbständigkeit mit Deinem eigenen Wohlergehen in Balance? Ich bin gespannt auf Deine Erfahrungen!

Sandra Lotz hilft dabei, Job oder das Business wieder mit dem eigenen Wohlergehen in eine gesunde Balance zu bringen. Sie glaubt fest daran, dass jeder es selbst in der Hand hat, Freude und Erfolg im Beruf zu bekommen.​ Erfahre mehr über Sandra und ihre Arbeit auf der Website: www.sandralotz.de/fempreneur

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5 comments
  1. Wow, liebe Maxi <3

    Ich danke dir für die wunderbare Chance, meine Geschichte in deinem tollen Magazin zu teilen <3 Es hat so viel Spaß gemacht, für Fempreneur zu schreiben. Und brachte auch mir wieder neue Erkenntnisse.

    Danke dafür!

    Alles Liebe
    Sandra

  2. Ein toller Artikel von Sandra!
    Da ich sie ein klein wenig kenne – und schätze – kann ich sagen, dass dieser Artikel sehr echt und authentisch ist. Da ist sie, die „Businesslady mit Herz“, die zwei Welten zusammenfügt! Herzlichen Glückwunsch liebe Sandra 🙂

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